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Chinas fragile Räume für Online-Debatten
Diese Analyse ist Teil von China Spektrum, einem Projekt mit dem China-Institut der Universität Trier (CIUT), das von der Friedrich-Naumann-Stiftung gefördert wird. China Spektrum analysiert Expertendiskussionen und öffentliche Debatten in China. Mehr über das Projekt erfahren Sie hier.
Chinesische Social-Media-Plattformen wie TikTok und RedNote sind bei Nutzerinnen und Nutzern rund um den Globus populär. Für politische Entscheidungsträger und interessierte Beobachter wird es daher immer wichtiger zu verstehen, wie diese Plattformen funktionieren und was dort geschieht.
In einer neuen Studie beleuchten die MERICS-Expertinnen Katja Drinhausen und Christina Sadeler sowie Kristin Shi-Kupfer von der Universität Trier aktuelle Entwicklungen in Chinas vielfältiger Social-Media-Landschaft. Ihre Empfehlung: Europäische und andere Akteure sollten – trotz der dort herrschenden Zensur – chinesische Medienberichte, Expertendiskussionen und Online-Gespräche aufmerksam verfolgen, um die innenpolitischen Entwicklungen und internationalen Ambitionen der Volksrepublik besser zu verstehen.
Die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammengefasst:
- Chinas Social-Media-Landschaft ist bemerkenswert divers. Auf einer Vielzahl von Plattformen und Onlinediensten finden hunderte Millionen Nutzer Möglichkeiten für soziale Interaktion, Unterhaltung, Nachrichten und Wissensaustausch.
- Plattformen wie TikTok und RedNote sind rund um den Globus populär. Für politische Entscheidungsträger und interessierte Beobachter wird es daher immer wichtiger zu verstehen, wie diese Plattformen funktionieren und was dort geschieht.
- Die chinesische Führung bekräftigt ihre Legitimität auch durch die Beeinflussung der öffentlichen Meinung, wie sie auf Online-Foren zum Ausdruck kommt. Parteistaatliche Medien wollen die öffentliche Wahrnehmung lenken und so Zustimmung zu Beijings Innen- und Außenpolitik erzeugen. Dabei kann sich Chinas Führung auf einen mächtigen Zensurapparat stützen.
- Neben den Bemühungen parteistaatlicher Institutionen und Medien, „positive Energie“ zu verbreiten, bauen neue Gesetze und Verordnungen die Kontrolle über soziale Medien aus und schränken den Raum für Debatten weiter ein.
- Trotz der massiven Einschränkungen des Online-Raums sollten europäische und andere Akteure chinesische Medienberichte, Experten- und Social-Media-Diskussionen aufmerksam verfolgen, um Chinas innenpolitische Entwicklungen und internationale Ambitionen besser einzuschätzen.
- Gezielte Zensur von Debatten, etwa zur schwierigen Wirtschaftslage Chinas, zeigt auch, wie wichtig und wie sensibel ein Thema für die Führung in Beijing gerade ist. Diskrepanzen zwischen offizieller Darstellung, Experten- und Bürgermeinungen deuten auch auf Bruchstellen, an denen ein erhöhtes Risiko für Unstimmigkeiten oder sogar Potential für soziale Unruhen bestehen könnte.
- Die Meinungen chinesischer Bürger und Experten im Internet spiegeln sozioökonomische Spannungen im Jahr 2024 wider. Trotz einer Reihe von Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und des Konsums, zeigen die Debatten, dass sich das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt nicht erholt hat. Eine proaktivere Politik wird notwendig sein - ein Thema, das man 2025 im Auge behalten sollte.
- Eine Analyse der zehn wichtigsten täglichen Schlagzeilen von Chinas bekanntestem News Aggregator Toutiao im Jahr 2024 zeigt die wichtigsten außenpolitische Narrative Beijings: Die USA werden als Rivale dargestellt, Russland als verlässlicher Verbündeter.
- Europa bleibt zweitrangig. Die Medienberichterstattung unterstreicht Chinas strategische Ausrichtung auf die Länder des Globalen Südens als Handelspartner und zur politischen Unterstützung bei der Neugestaltung der Globalen Ordnung.
- In ihrem internationalen Engagement spricht die Führung von Reformen, Offenheit und Zusammenarbeit. Innenpolitisch setzt sie jedoch zunehmend auf Patriotismus als Gegenmittel gegen soziale Spannungen. Interne Kampagnen verbreiten eine anti-westliche Erzählung und betonen die Systemrivalität – ein Trend, der sich verstärken könnte, wenn sich die Beziehungen zwischen den USA und China verschlechtern.
Sie können die Studie „China's fragile online spaces for debate: Between entertainment and heavy state guidance, citizens raise social concerns and create new communities“ (in englischer Sprache) hier online lesen oder als PDF herunterladen.