Hongkonger Oppositionsvertreter treten aus Protest zurück
Die Fakten: Pro-demokratische Abgeordnete des Hongkonger Parlaments sind aus Protest gegen den Ausschluss von vier Kollegen zurückgetreten. Die Hongkonger Regierung verkündete am 11. November, dass vier Mitglieder des Hongkonger Legislativrats ihren Sitz im Parlament verlieren würden. Kurz darauf gaben die verbleibenden 15 Abgeordneten des pandemokratischen Lagers geschlossen ihren Rücktritt bekannt. Im Parlament sind nun nur noch 43 Abgeordnete, von denen 41 als Beijing gegenüber loyal gelten.
Eine Entscheidung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses bildete die Grundlage für den Ausschluss. Diese sieht vor, dass die Hongkonger Regierung Parlamentariern ihren Sitz im Legislativrat entziehen kann, wenn diese „die Unabhängigkeit Hongkongs unterstützen, die Souveränität der Zentralregierung nicht akzeptieren, mit ausländischen Kräften zusammenarbeiten oder sich an Handlungen beteiligen, die die nationale Sicherheit gefährden“.
Die Entscheidung umgeht etablierte Verfahren des Legislativrats und ermöglicht der Regierung von Carrie Lam eine stärkere Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Gremiums oder auch Kandidaten von künftigen Wahlen auszuschließen. Lam hob hervor, der Schritt stehe in Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit und dem demokratischen System Hongkongs. Das Verbindungsbüro Beijings hingegen stellte deutlich klar, Hongkong „müsse von Patrioten regiert werden“ – sprich: solchen, die die Führung der KPC unterstützen.
Der Blick nach vorn: Die Entwicklungen verändern grundlegend die Bedeutung des Legislativrats, in dem Oppositionsarbeit de facto nicht mehr möglich sein wird. In Hongkong beginnt nun eine “post-parlamentarische Ära”, das Stadtparlament fällt als Plattform für die friedliche, demokratische Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Lagern aus. Die Opposition wird andere Wege suchen und möglicherweise zurück auf die Straße kehren.
MERICS-Analyse: “Die pro-demokratische Opposition hat sich entschieden, das Parlament zu verlassen, anstatt in einer Scheindemokratie mitzuwirken, in der ernsthafte Oppositionsarbeit nicht erlaubt war. Hongkongs Demokratie war von Beginn an zerbrechlich – nur die Hälfte der Mitglieder des Legislativrats wird direkt vom Volk gewählt und der Regierungschef wird von einem Wahlkomitee ernannt. Mit diesem Schritt ist es Beijing endgültig gelungen, das Parlament der Stadt nach seinen Vorstellungen umzugestalten.", sagt MERICS-Expertin Katja Drinhausen.
Medienberichte und Quellen:
- CNN: Hongkonger Parlamentarier ausgeschlossen
- The Guardian: Pro-demokratische Abgeordnete ihres Amtes enthoben
- The New York Times: China nimmt Hongkonger Abgeordnete ins Visier
- The Stand News (in Chinese): Kommentar von Sunny Cheung
- Xinhuanet (in Chinese): Offizieller Bericht über die Entscheidung des Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongress
Dieser Beitrag erschien im MERICS China Briefing vom 12. November 2020.