DeepSeek + China-Politik unter Trump + Immobilienkrise
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Chinas KI-Modell DeepSeek heizt Wettrennen zwischen USA und China an
Der Nasdaq stürzte am Montag um drei Prozent ab, nachdem ein chinesisches Start-up die Tech-Welt mit einem offen zugänglichen KI-Modell in Aufruhr versetzt hatte. Das von einem Team aus Hochschulabsolventen beim Unternehmen DeepSeek (深度求素) entwickelte Modell R1 übertrifft westliche Konkurrenten zu einem Bruchteil der Kosten – und heizt den erbitterten Wettlauf um die KI-Überlegenheit zwischen den USA und China weiter an. DeepSeek ist den besten Modellen der Branche, wie das OpenAI-eigene Modell o1, bei mehreren Denk-, Codierungs- und Mathematik-Benchmarks überlegen.
Da Chinas Zugang zu hochmoderner Hardware aufgrund von US-Exportkontrollen eingeschränkt ist, hat DeepSeek nach eigenen Angaben sein R1-Modell mit nur etwa 2.000 Nvidia-H800-Chips trainiert, die weitaus weniger fortschrittlich sind als die besten Chips des Herstellers. Weil der Durchbruch von DeepSeek derart bemerkenswert war, verlor der weltweit führende KI-Chiphersteller Nvidia am Montag 589 Mrd. USD an Marktkapitalisierung. Nie zuvor hat ein Unternehmen einen derart großen Tagesverlust erlitten.
Die Aufregung der vergangenen Tage zeigt, was für ein enormes Gewicht die „Künstliche allgemeine Intelligenz“, die menschlichen Fähigkeiten nahekommen oder diese übertreffen soll, im Wettbewerb zwischen Beijing und Washington hat. Beide Seiten kündigten vergangene Woche neue Investitionen an: Chinas neuer staatlicher Fonds wird ein Startkapital von 60 Mrd. CNY (8,2 Mrd. USD) haben. US-Präsident Donald Trump hat private Investitionen in Höhe von 500 Mrd. USD für den Ausbau von KI-Infrastruktur in Aussicht gestellt.
Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sagte der chinesische Vizepremier Ding Xuexiang, Leiter der mächtigen Kommission für Wissenschaft und Technologie der Kommunistischen Partei, China werde „nicht blindlings dem Trend folgen oder sich auf einen übermäßigen internationalen Wettbewerb einlassen“.
Welchen Weg wird China also einschlagen? Ironischerweise könnten die US-Exportkontrollen Chinas kostspieliges Innovationssystem zu mehr Effizienz zwingen. Chinesische Wissenschaftler erforschen eine Vielzahl von Ansätzen der allgemeinen künstlichen Intelligenz, darunter auch weniger ressourcenintensive Alternativen zur Skalierung großer Sprachmodelle (LLMs).
DeepSeek, dessen 40-jähriger Gründer Liang Wenfeng (梁文锋) kürzlich mit Ministerpräsident Li Qiang zusammentraf, hat nun einen Ressourcen schonenden Ansatz erfolgreich umgesetzt. Der Erfolg stärkt auch die Befürworter von Open-Source-Modellen in China und darüber hinaus: DeepSeek hat die sogenannten Gewichte seines R1-Modells öffentlich gemacht, die zentralen Parameter, mit denen Entwickler weltweit das Modell lokal betreiben und weiterentwickeln können. Das stellt führende Unternehmen vor gewaltige Herausforderungen. OpenAI wirft DeepSeek vor, ohne Erlaubnis die Arbeit des Unternehmens genutzt zu haben.
Ob China diese Dynamik aufrechterhalten kann, ist jedoch alles andere als sicher. DeepSeek hat das R1-Modell fertiggestellt, bevor die US-Exportbeschränkungen ihre volle Wirkung entfalten konnten. Die bestehenden Kontrollen, die zuletzt erweiterten Beschränkungen für die weltweite Verbreitung fortschrittlicher KI-Chips sowie neue Beschränkungen für die Ausfuhr bestimmter unveröffentlichter Modellgewichte werden sich (vorausgesetzt, sie werden umgesetzt) zeitlich verzögert bemerkbar machen.
Darüber hinaus könnte die Beteiligung von staatlichem Kapital über den neuen KI-Fonds Ineffizienz zur Folge haben, weil daran in der Regel auch Bedingungen geknüpft sind, etwa ein Mitspracherecht in strategischen Entscheidungen. Ein stärkeres Engagement parteistaatlicher Akteure könnte das privatwirtschaftliche Unternehmertum bremsen, das Liang und sein Team verkörpern.
MERICS-Analyse: „Der Durchbruch von DeepSeek ist kein Beleg für das Scheitern von Exportkontrollen. Es dauert eine Weile, bis Maßnahmen Wirkung zeigen, und chinesische KI-Unternehmen konnten eine Menge Nvidia-GPUs horten, bevor die Kontrollen im Oktober 2023 erweitert wurden“, sagt MERICS-Expertin Rebecca Arcesati. „Die eigentliche Frage lautet: ist der ressourcenintensive Ansatz des Silicon Valley bei der Entwicklung von KI nachhaltig, und ist er überhaupt notwendig?“
Medienberichte und Quellen:
- Chinese government website (CN): Ding Xuexiang on promoting Artificial Intelligence and other scientific and technological innovations for the betterment of all mankind (丁薛祥谈促进人工智能等科技创新更好造福全人类)
- Interconnect: DeepSeeks three idiosyncratic advantages
- Lennart Heim: The rise of DeepSeek: What the headlines miss
- Center for Security and Emerging Technology: Chinese critiques of Large Language Models
- Bureau of Industry and Security: Biden-Harris Administration Announces Regulatory Framework for the Responsible Diffusion of Advanced Artificial Intelligence Technology
- Bureau of Industry and Security: Framework for Artificial Intelligence
- Financial Times: OpenAI says it has evidence China’s DeepSeek used its model to train competitor
- TEDAI San Francisco: What are Weights in AI?
Metrix
49.1
Wenn Chinas Einkaufsmanager-Index unter 50 rutscht, weist das auf ein Schrumpfen des verarbeitenden Gewerbes hin – und das ist im Januar unerwartet der Fall gewesen. Wie das Nationale Statistikamt mitteilte, fiel der Index von 50,1 im Dezember 2024 zum Jahresbeginn auf 49,1. Erstmals seit September 2024 schrumpfte die Aktivität des verarbeitenden Gewerbes – einschließlich Produktion, Auftragseingänge, Beschäftigung, Lieferantenlieferungen und Lagerbestände. Die Zahlen deuten darauf hin, dass die Unternehmen kaum von den jüngsten Konjunkturmaßnahmen profitieren und bald mehr staatliche Unterstützung erforderlich sein könnte. (Quelle: AP)
Themen
Trumps China-Politik fordert die transatlantische Zusammenarbeit heraus
Die Fakten: Nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump mehren sich die Anzeichen für ein von Eigeninteressen geprägtes Vorgehen gegenüber China, das weniger Rücksicht auf Europa nimmt. In einem Telefonat mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi bekräftigte der neue US-Außenminister Marco Rubio das Engagement der USA im Indopazifik. Er kündigte an, in den Beziehungen zu Beijing „die Interessen der USA zu verfolgen und das amerikanische Volk an erste Stelle zu setzen“. Trumps bisherige Schritte bestätigen den Ansatz: das Verbot der chinesischen Video-App TikTok ist vertagt, um den Verkauf an ein US-Unternehmen zu ermöglichen. Die für Anfang Februar angedrohten Zölle auf chinesische Importe auf Chips und Halbleiter werden Taiwan und andere Verbündete der USA treffen. Den Anspruch der USA auf den Panamakanal und Grönland rechtfertigt Trump auch mit der Konkurrenz durch China.
Der Blick nach vorn: Für die transatlantische Zusammenarbeit verheißt all das nichts Gutes. Die EU-Kommission hat Vorschläge für die Zusammenarbeit mit den USA ausgearbeitet, einschließlich gemeinsamer Maßnahmen gegen Marktverzerrungen durch China. Die Trump-Regierung hat bislang jedoch kein Interesse signalisiert. Der EU wichtige Themen wie der Schutz der regelbasierten internationalen Ordnung, grüne Initiativen und die Bekämpfung von Desinformation scheinen für Trump wenig Bedeutung zu haben. Im Gegenteil ziehen sich die USA aus internationalen Abkommen und Projekten zurück. Trump setzt auf eine auf persönlicher Ebene geführte und nutzenorientierte Diplomatie, wofür die EU mit ihren 27 Mitgliedsstaaten weniger geeignet ist. Trump lobte sein jüngstes Telefonat mit Chinas Staatschef Xi Jinping, in dem er Beijing aufforderte, dabei zu helfen, Russlands Krieg gegen die Ukraine zu beenden.
MERICS-Analyse: „Die transatlantische Agenda zu China wird wahrscheinlich kürzer werden, bleibt aber wichtig“, sagt Grzegorz Stec, Leiter des MERICS-Büros in Brüssel. „Trumps Prioritäten im Umgang mit China nehmen bereits Form an. Die EU wird neu definieren müssen, welche Art der Zusammenarbeit sinnvoll ist. Ein intensiver Austausch auf Arbeitsebene – insbesondere bei Themen wie Marktverzerrungen und Exportkontrollen – sollte dabei im Fokus bleiben.“
Medienberichte und Quellen:
Turbulenzen bei Unternehmen Vanke: Kein Ende der Immobilien-Krise in Sicht
Die Fakten: Die wachsende Verschuldung von Chinas viertgrößtem Immobilienentwickler Vanke trübt die Hoffnungen auf eine allmähliche Erholung des Sektors. Das könnte den Konsum auch 2025 dämpfen und auch europäische Exporteure und Investoren in Mitleidenschaft ziehen. Am Montag meldete Vanke einen Nettoverlust von rund 45 Mrd. CNY (5,8 Mrd. EUR) für das vergangene Jahr und damit seinen ersten Jahresverlust überhaupt. Der Verlust war doppelt so hoch wie von Analysten erwartet. Vanke-Chef Yu Liang und CEO Zhu Jiusheng traten zurück. Mitte Januar berichteten parteistaatliche Medien über eine Festnahme Zhus.
Der Blick nach vorn: Die Finanzlage von Vanke verschlechterte sich im letzten Quartal des vergangenen Jahres offenbar weiter, obwohl die chinesische Regierung zusätzliche Kredite Höhe von Billionen Yuan für „hochwertige“ Bauträger bereitgestellt hatte. Insgesamt verlief der Verkauf von Grundstücken und Wohnungen in China Ende des Jahres schleppend. Die Regierung von Shenzhen könnte Vanke unter die Arme greifen, um einen Zahlungsausfall zu verhindern. Die Liquiditätsprobleme des Unternehmens erhöhen auch den Druck auf Beijing, neue Maßnahmen zur Stabilisierung des Immobilienmarktes zu ergreifen.
MERICS-Analyse: „Die Verschuldung von Vanke zeigt: Chinas Immobilienmarkt hat die Talsohle noch nicht erreicht. Das belastet weiter den Konsum“, sagt MERICS-Experte Alexander Brown. „Europäische Unternehmen müssen das in ihren Prognosen für den chinesischen Markt berücksichtigen.“
Medienberichte und Quellen:
- The New York Times: China Vanke forecasts USD 6.2 billion loss, replaces top Executives
- The Economic Times: China Vanke flags record loss as Chairman, CEO resign amid woes
- 21st Century Business: 多方积极支持,万科发展迎来重大转机,深圳国资
Chinas System zur Medikamentenbeschaffung hat unerwünschte Nebenwirkungen
Die Fakten: Beijings Bemühungen, die Gesundheitsversorgung durch günstige Medikamente zu verbessern, haben zu Qualitätsproblemen geführt. Nachdem Zweifel an der Wirksamkeit einiger Medikamente laut geworden waren, kündigte die Nationale Gesundheitssicherheitsbehörde (NHSA) an, Experten bei der Arzneimittelbeschaffung zur Rate zu ziehen. Mitglieder des politischen Beratungsgremiums von Shanghai und auch Mediziner hatten Ende Januar auf mögliche Risiken einiger in China hergestellter Generika hingewiesen, die zu niedrigen Preisen in großen Mengen beschafft werden – darunter Abführmittel, blutdrucksenkende Medikamente und Narkosemittel. Sie plädierten unter anderem dafür, es Patienten freizustellen, teurere Alternativen zu wählen.
Der Blick nach vorn: Chinas Regierung will die Gesundheitsversorgung erschwinglicher machen, denn das Land steht vor der Herausforderung, „alt zu werden, bevor es reich wird“. Vorhaben wie das sogenannte volumenbasierte Beschaffungswesen zur Kostensenkung sind dafür sehr wichtig. Deshalb wird Beijing sich um eine schnelle Lösung der Probleme bemühen. Über das 2018 gestartete Programm können sich Pharmaunternehmen für die Lieferung großer Mengen von Arzneimitteln bewerben. Die Folge war ein harter Wettbewerb zwischen chinesischen Herstellern und eine drastische Senkung der Arzneimittelpreise. Für westliche Markenarzneimittelhersteller wird Chinas riesiger Markt dadurch immer weniger rentabel.
MERICS-Analyse: „Chinas Bemühungen, den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten zu verbessern, stoßen auf unerwünschte Nebenwirkungen“, sagt MERICS-Analyst Alexander Davey. „Solange das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Effizienz und Qualität von staatlich beschafften Generika nicht wiederhergestellt ist, werden Patienten, die es sich leisten können, die teureren, aber zuverlässigeren Medikamente ausländischer Hersteller vorziehen.“
Medienberichte und Quellen:
- CCTV (CN): The National Medical Insurance Administration and other departments will go to Shanghai to listen to opinions on centralized drug procurement in person
- NYT: In China, government data on drugs blocked from public after backlash
- SCMP: 40,000 punished in China’s medical corruption crackdown, including over 350 top figures
MERICS China Digest
USA überholen China als größter Handelspartner Deutschlands (GTAI)
China war 2024 zum ersten Mal seit 2016 nicht mehr der größte Handelspartner Deutschlands, wie aus neuen Daten von Germany Trade & Invest hervorgeht. Der Handel zwischen Deutschland und den USA erreichte im vergangenen Jahr 255 Milliarden EUR, während der Handel mit China auf 247 Milliarden EUR zurückging. Deutschland importiert weiterhin mehr aus China als jedes andere Land, exportiert aber nun die meisten Waren in die USA. (20. 01.2025)
Angehörige appellieren an Thailand, 48 Uiguren nicht nach China abzuschieben (The Guardian)
Angehörige von 48 in Thailand inhaftierten uigurischen Männern haben die Behörden gebeten, diese nicht nach China abzuschieben. UN-Experten forderten Thailand auf, die offenbar unmittelbar bevorstehende Überstellung zu stoppen, da für die Männer ein „reales Risiko von Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung“ bestehe. (25.01.2025)
EU will WTO-Verfahren gegen China wegen Litauen wieder aufnehmen (South China Morning Post)
Brüssel hat sein WTO-Verfahren gegen China wegen angeblicher wirtschaftlicher Nötigung Litauens wieder aufgenommen. Die EU hatte das Verfahren im Jahr 2022 eingeleitet und Beijing ein orchestriertes Handelsembargo gegen den baltischen Staat wegen eines umstrittenen „Taiwan Representative Office“ vorgeworfen. (24.01.2025)
Covid-19: CIA hält Laborleck für wahrscheinlichste Quelle des Ausbruchs (BBC)
Fünf Jahre nach Beginn der Coronavirus-Pandemie hat die CIA eine neue Einschätzung zum Ursprung des Virus veröffentlicht. Demnach ist es „wahrscheinlicher“, dass das Virus aus einem chinesischen Labor ausgetreten ist, als dass es von Tieren stammt. Die Behörde wies jedoch darauf hin, dass sie „wenig Vertrauen“ in diese Feststellung habe. (26.01.2025)
Unsere neuesten Podcasts
Die Beziehungen zwischen der EU und China im Jahr 2025, mit Abigaël Vasselier
Abigaël Vasselier, Director Policy & European Affairs bei MERICS, ist gerade von einer Reise nach Washington DC zurückgekehrt, wo sie sich mit Gesprächspartnern vor Ort über die Zukunft der transatlantischen Chinapolitik austauschte. In diesem Podcast spricht sie über die wichtigsten Herausforderungen für die EU bei der Gestaltung ihrer Beziehungen zu China und den USA unter einem Präsidenten Donald Trump.
Chinas Wirtschaft 2025, mit Max Zenglein
Chinas Wirtschaft hat 2024 stärker als erwartet abgeschlossen. Das BIP wuchs im vierten Quartal um 5,4 Prozent, und damit lag das Wachstum für das gesamte Jahr bei fünf Prozent – das offizielle Ziel der chinesischen Führung. Beijing hat damit eine gute Ausgangsposition für das neue Jahr, das von Ungewissheiten und erheblichen Herausforderungen gezeichnet ist. MERICS Chief Economist Max Zenglein teilt seine Einschätzungen zur Lage der chinesischen Wirtschaft.