Wirtschaftliche Kontrolle, digitales Regieren und Primat der nationalen Sicherheit – Chinas KP auf dem Weg in die nächsten 100 Jahre
Neues MERICS Paper on China zu Strategien der Kommunistischen Partei
Die Kommunistische Partei Chinas (KPC), die im Juli den 100. Jahrestag ihrer Gründung begeht, erscheint stärker und selbstbewusster denn je. Auch wenn Xi Jinping erst kürzlich die Notwendigkeit betonte, den Ton abzumildern und "ein glaubwürdiges, liebenswertes und respektables Bild Chinas zu schaffen", ist die Führung in Beijing überzeugt, dass das eigene Regierungsmodell den westlichen Demokratiemodellen überlegen ist.
Wie positionieren sich die KPC - und China als Ganzes - in einem herausfordernden politischen Umfeld im In- und Ausland? Europäische und andere internationale Akteure müssen heute angesichts einer offensiv selbstbewusst agierenden Regierung in China hier genau hinsehen, um passgenaue Strategien zu entwickeln. Im neuen MERICS Paper on China „Das neue Jahrhundert der KPC: mehr wirtschaftliche Kontrolle, digitales Regieren und nationale Sicherheit" schauen die MERICS-Experten Katja Drinhausen, Nis Grünberg, Mikko Huotari, John Lee und Helena Legarda genauer hin. Sie untersuchen drei Schlüsselbereiche, in denen Beijing klare strategische Ziele verfolgt.
Ziel 1: Ausrichtung der Wirtschaft auf politische Ziele
Die KPC will Chinas Wirtschaft an politischen Zielen ausrichten. Der wirtschaftlichen Liberalisierung, der Globalisierung und der Marktwirtschaft setzt China ein "parteistaatliches kapitalistisches" Modell entgegen. Dazu gehören zentralisierte Führung, eine hybride Wirtschaft, die Marktkapitalismus mit von oben verordneten, makroökonomischen Entwicklungsplänen vereint, sowie ein System aus privaten und staatlichen Wirtschaftsakteuren. "Was die Marschrichtung von Chinas Wirtschaft angeht, weisen die Führung und die Normen der KPC den Weg," sagt MERICS Experte Nis Grünberg.
Ziel 2: Digitalisierung für „smarte“ Regierungsführung, Souveränität im Cyber-Raum und Hightech-Bereich
Digitalisierung ist ein entscheidendes Element im Regierungsansatz der KPC. Die Partei will Regierungsführung „smart“ gestalten und ihre Souveränität im Cyberraum und Hightech-Bereich sichern. Indem sie Digitalisierung in allen Bereichen von Politik und Gesellschaft vorantreibt, will die KPC sich an die Spitze innovativer Entwicklungen setzen – und nicht nur reagieren. Dies hat auch Auswirkungen auf Überwachungsfähigkeiten des Staates. MERICS Experten John Lee und Katja Drinhausen fassen zusammen: "Ein entscheidendes Merkmal von Chinas wachsendem Überwachungsstaat ist Verknüpfung von Online-Fähigkeiten mit etablierten Offline-Kapazitäten bei der Überwachung und Durchsetzung politischer Maßnahmen."
Ziel 3: „Sicherheit geht vor“ als neues Paradigma der Geopolitik
Im 100. Jahr ihres Bestehens geht die Partei gegen wahrgenommene Bedrohungen ihrer Herrschaft vor. Dies hat auch im Ausland konkrete Auswirkungen, wenn sie etwa auf der Anwendung chinesischer Gesetze außerhalb von China besteht. Unter Xi Jinping hat China die Definition von nationaler Sicherheit beständig ausgeweitet. "Andere Länder müssen auf eine chinesische Führung vorbereitet sein, die auf jede wahrgenommene Kritik oder jeden Angriff gegen ihre Interessen energisch reagieren wird," sagt die MERICS Expertin Helena Legarda.
Ausblick: China steigt in den Systemwettbewerb ein
Die strategische Zielstrebigkeit und der härtere Kurs der KPC wirkt sich auch auf den Umgang mit europäischen Akteuren aus. Dies zeigt der Blick auf die jüngsten Konflikte über Menschenrechte und Handelsfragen und die daraus resultierenden gegenseitigen Strafmaßnahmen und Sanktionen. "Europa und andere globale Akteure müssen sich auf diese selbstbewusste und hart agierende Partei einstellen - und auf ein China, das nicht davor zurückschreckt, in einen systemischen Wettbewerb einzusteigen," sagt MERICS Direktor Mikko Hutoari.